Giuseppe Verdi/Thomas Rimes/Opernloft LOST VIOLET

Staatstheater Kassel, Premiere: 10. April 2010

 

BESETZUNG

 

Musikalische Leitung: Thomas Rimes

Inszenierung: Lisa Marie Küssner

Bühne: Justyna Jaszczuk

Kostüme: Judith Patricia Schenk

Dramaturgie: Dorothee Hannappel/Dr. Ursula Benzing

 

Violet: Katrin Müller

Alfred: Ilja Werger

Germont/Doktor: Hans Lydman

 

Jugendensemble:

Nina: Franziska Berlitz

Lucy: Johanna Gaiser

Karoline: Isabel Perez

Pipp: Sophia Pianowski

Lea: Anna Sandor

Julica: Isabell Schröder

Pia: Marie Schröder

Alice: Hedwig Warnek

Ira: Clara Winter

Erik: Nils Früchtenicht

Tristan: Philipp Gotthardt

Joshua: Torben Lehning

Danny, „Der Baron“: Benedikt Ströher

Max: Arthur Weht

Raphael: Daniel Heil

 

 

KRITIKEN

Kritik HNA vom 11.4.2010:

 

STÖRT HIER WAS DIE PARTY?

PREMIERENJUBEL FÜR DAS  THEATERJUGENDORCHESTER-PROJEKT "LOST VIOLET"

 

Kassel. Die Party muss weitergehen. Das erste Drogenopfer, ein Mädchen, das sich unter hypnotischen Klängen zu Tode wirbelt, wird eben mal entsorgt. Dann kommt die Verdi-Ouvertüre, und es geht los: „Heute Nacht haben wir viel Spaß“, singen die Jugendlichen, und der geheimnisvolle Doktor im weißen Lackmantel, der alles über Monitore kontrolliert, verabreicht ihnen kleine Pillchen.

„Lost Violet“ heißt dieses Stück - im Original als „La traviata“ eines der erfolgreichsten Werke der Operngeschichte. Doch hier, beim neuesten Projekt des Kasseler Theaterjugendorchesters (TJO), wird eine etwas andere Geschichte erzählt als die der Kurtisane Violetta, die der öffentlichen Moral wegen auf ihren Geliebten Alfredo verzichtet: Violet ist drogensüchtig, ihr Dealer, der Doktor, ist Alfreds Vater. Und der will die beiden auseinanderbringen: „Mein Sohn wird nicht mit Ihnen untergehen!“

Der Traum vieler Opernregisseure wird hier wahr: Ein Stück wird nicht nur oberflächlich aktualisiert. Es wird eine neue Geschichte erzählt - und dazu wird auch die musikalische Struktur verändert: ein auf zwei Stunden gestraffter Abend mit eingeschobener elektronischer Musik, mit Rap-Nummern und unterlegten Beats. Ein Konzept, das Kassel als „Electr’Opera“ vom Jungen Musiktheater Hamburg übernommen und weiterentwickelt hat.

Trotzdem bleibt viel Verdi übrig, etwa das berühmte Brindisi-Trinklied, das hier geschickt zur Opern-Karaoke umfunktioniert wird.

Toll, was sich Regisseurin Lisa Marie Küssner, Justyna Jaszczuk (Bühne) und Judith-Patricia Schenk (Kostüme) haben einfallen lassen: Die Bühne, eine Mischung aus Dancefloor und Skaterbahn, ist eine ideale Spielfläche für die Clique aus 16 Jugendlichen, in der sich Violet und Alfred begegnen, und die mit viel Spielfreude und gekonnten Einlagen die Handlung in Schwung hält.

Als emotional packende Oper ist die Liebesgeschichte inszeniert. Katrin Müller ist als Violet eine starke Punkfrau und zeigt sich auch stimmlich Verdis Arien-Hits gewachsen. Ebenso Ilja Werger, der sensible Alfred, der singt und Geige spielt. Seine mit viel Schmelz gesungene Arie „Un di felice“ hat den Text „So süß, so sexy“. Als Gegenpol wirkt der unheimliche, stimmlich starke Doktor Hans Lydmanns.

Bestens gelingt die Integration von Alltagstexten („Du stehst echt auf mich?“) wie auch die Verbindung von Verdis Musik mit neuen Klängen. Thomas Rimes, der musikalische Leiter, hat sie wirkungsvoll arrangiert und mit den Originalklängen verzahnt. Mit viel Verve leitet er auch das engagiert spielende 50-köpfige Theaterjugendorchester, das erhöht hinter der Spielfläche agiert. Allerdings stößt das teilweise sehr junge TJO bei der anspruchsvollen Verdi-Partitur auch an seine Grenzen.

Doch das tat dem lauten Jubel nach der Premiere im ausverkauften Schauspielhaus keinen Abbruch: Party im Zuschauerraum, so wie zuvor auch die Party auf der Bühne durch Violets Drogentod nur mal kurz unterbrochen wurde.

Werner Fritsch

 

Vorbericht HNA vom 8.4.2010:

 

ERNN LIEBE AN DROGEN SCHEITERT

IM JUGENDORCHESTERPROJEKT "LOST VIOLET" WIRD VERDIS OPERNHIT "LA TRAVIATA2 NEU ERFUNDEN

 

Kassel. Bei der Wahl zur schönsten Oper aller Zeiten holte sich vor Kurzem Verdis „La traviata“ den Titel. In etwas anderer Form kommt die unglückliche Liebesgeschichte von Violeta und Alfredo jetzt auf die Bühne des Kasseler Schauspielhauses.

 

„Lost Violet - ElectrOpera“ heißt die Produktion des Theater-Jugendorchesters (TJO), bei der Verdis Musik durch elektronische Klänge und Rhythmen, Rap-Gesang und Sprache ergänzt wird. Die Arrangements stammen von Thomas Rimes, dem musikalischen Leiter dieser Produktion.

Neben dem 50-köpfigen Orchester aus jugendlichen Musikern sind bei dieser TJO-Produktion erstmals auch 16 jugendliche Bühnendarsteller dabei - singend, tanzend und rappend. Seit November hat Regisseurin Lisa Marie Küssner mit ihnen geprobt und die Charaktere entwickelt. Anders als in Verdis Original geht es in „Lost Violet“ nicht um verletzte bürgerliche Moralvorstellungen, sondern um das Thema Drogen und Abhängigkeit.

Für die drei Hauptfiguren wurden Profisänger verpflichtet: Katrin Müller als Violet, Ilja Werger als Alfred und Hans Lydman als Germont, der hier Doktor heißt. Der Vater des Alfred ist hier eine Figur, „die das Drogenkarussell am Laufen hält und die Jugendlichen in der Hand hat“, so Küssner.

Neben dem Orchester sind auch Drums und Synthesizer besetzt - und fast alles wird live gespielt, betont Thomas Rimes. Und auch da, wo die Musik in Richtung Techno geht, spielen Verdis Melodien eine wichtige Rolle, verrät der musikalische Leiter.

Im Übrigen betont das Produktionsteam, dass diese Inszenierung zwar wesentlich von jungen Leuten gemacht wird, aber keinesfalls nur für Gleichaltrige gedacht ist.

Premiere am Samstag, 19.30 Uhr, Schauspielhaus. 

Werner Fritsch